Artikel 2: Körperliche und Seelische Unversehrtheit, Freiheit und Sicherheit
Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat das Recht, vor Gefahren für Leib und Seele geschützt zu werden.
Schutz vor Gewalt
Sie haben das Recht, vor Gewalt geschützt zu werden. Das heißt zum Beispiel: Niemand darf Sie gegen Ihren Willen pflegen oder behandeln. Niemand darf Sie grob anfassen, schubsen, schlagen, verletzen oder missbrauchen. Auch darf niemand Sie herabsetzen, beleidigen, Ihnen drohen oder Sie missachten.
Schutz vor Vernachlässigungen
Sie haben auch das Recht, vor körperlicher oder seelischer Vernachlässigung geschützt zu werden. Das heißt zum Beispiel, dass Sie die erforderliche Hilfe rechtzeitig bekommen und nicht unzumutbar lange warten müssen. Das gilt insbesondere, wenn Sie etwas essen oder trinken möchten, Schmerzen oder andere belastende Symptome haben, Ihre Ausscheidungen verrichten müssen, aufstehen, sich hinlegen oder bewegen möchten. Wenn Sie dafür nicht selbst Sorge tragen können, müssen Sie zum Beispiel vor direkter Sonne, Zugluft oder mit angemessener Kleidung vor übermäßiger Kälte und Wärme geschützt werden.
Schutz vor unsachgemäßer Pflege und Behandlung
Sie haben zudem das Recht, vor Schäden durch mangelnde, unsachgemäße oder nicht angezeigte Pflege und Behandlung geschützt zu werden. Die Fachleute müssen sorgfältig handeln. Zum Beispiel muss alles getan werden, um Sie vor Wundliegen oder Infektionen zu schützen. Ihre Medikamente müssen gewissenhaft und sachgemäß verordnet, gestellt und gegebenenfalls verabreicht werden. Sie können erwarten, dass Pflegende, Ärztinnen, Ärzte, Therapeutinnen und Therapeuten bei der Behandlung und Pflege besonders aufmerksam auf Neben- und Wechselwirkungen achten und rechtzeitig reagieren.
Schutz vor freiheitseinschränkenden Maßnahmen
Zum Schutz vor Gewalt gehört, dass keine freiheitseinschränkenden Maßnahmen angewendet werden. Das heißt: Niemand darf Sie an Bewegung hindern, etwa durch Einschließen, Angurten oder Verabreichen ruhigstellender Medikamente ohne medizinische Notwendigkeit. Solche Maßnahmen dürfen nur angewendet werden, wenn eine Gefahr nicht anders abgewendet werden kann. Dafür ist Ihre Zustimmung erforderlich. Wenn Sie nicht einwilligungsfähig sind, muss die Person, die Sie bevollmächtigt haben oder Sie rechtlich vertritt, gefragt und eine richterliche Genehmigung eingeholt werden. Nur bei akuter Gefahr für Leib und Leben sind freiheitseinschränkende Maßnahmen ohne richterliche Genehmigung kurzzeitig erlaubt. Da diese schwerwiegenden Eingriffe gesundheitliche Gefahren mit sich bringen, müssen dafür qualifizierte Personen Sie währenddessen kontinuierlich beobachten. Zudem ist regelmäßig zu prüfen, ob die Maßnahme noch erforderlich oder gerechtfertigt ist.
Hilfe gegen Gewalt
Sie müssen Gewalt, Vernachlässigung, unsachgemäße Behandlung und Pflege sowie freiheitseinschränkende Maßnahmen nicht dulden. Sie können erwarten, dass Pflegende, Ärztinnen, Ärzte, Therapeutinnen und Therapeuten auf konkrete Anzeichen oder Hinweise achten und – wenn möglich in Absprache mit Ihnen – in geeigneter Weise darauf reagieren. Das heißt zum Beispiel, dass sofort kompetente Hilfen angeboten, ärztliche Untersuchungen veranlasst, die zuständigen Ermittlungs- und Aufsichtsbehörden informiert und Maßnahmen zu Ihrem Schutz eingeleitet werden müssen.
Darüber hinaus können Sie erwarten, dass Ihnen psychologische Hilfe zur Bewältigung von Gewalterfahrungen und -folgen vermittelt wird, wenn Sie dies wünschen.